Alfeld - Als der erste Schnee des Jahres auf dem Himmelberg lag, wurde alles leiser. Die Bäume trugen Weiß, der Boden knirschte unter den Schuhen. Und plötzlich waren sie da: Fußspuren. Große, kleine, schnelle, zögernde. Menschen, die vor einem hier waren – und weitergegangen sind.
Man sah, wer allein unterwegs war, wer zu zweit. Man sah Umwege, Pausen, manchmal sogar ein kurzes Stehenbleiben. Der Schnee hielt all das fest – für einen Tag, vielleicht für ein paar Stunden. Dann war alles wieder weg.
Es hat etwas Berührendes, diesen Spuren zu folgen. Weil sie zeigen, dass niemand seinen Weg ganz für sich geht. Immer ist jemand vor uns gegangen. Immer kommt jemand nach uns. Der gleiche Pfad – und doch jedes Mal ein anderer Gang.
Der Himmelbergturm steht dabei still über allem. Jahr für Jahr. Winter für Winter. Menschen kommen, steigen hinauf, schauen hinaus, gehen wieder. Ihre Spuren bleiben kurz – der Ort bleibt lang. Und irgendwo dazwischen liegt dieses leise Gefühl von Vergänglichkeit und Beständigkeit zugleich.
Schnee macht sichtbar, was sonst der Blick übersieht: dass wir Spuren hinterlassen, auch wenn wir sie selten bemerken. Schritte im Leben, nicht nur im Wald. Manche verlaufen sich, manche führen klar, manche kreuzen sich nur für einen Moment.
Und irgendwann taut alles weg. Der Schnee verschwindet, die Spuren mit ihm. Doch das Gehen bleibt. Wer einmal gesehen hat, wie viele Schritte sich an einem einzigen Wintertag hier kreuzen, der spürt: Leben heißt nicht, Spuren festzuhalten – sondern weiterzugehen, im Wissen, dass andere mitgehen.
Von David Paasche.
