Kolumne: Echt jetzt!

Hotelfrühstück auf dem Präsentierteller – oder: Bitte schämt euch nicht, liebe Eltern!

Hildesheim - Ein kleiner Junge meistert seinen allerersten Besuch im Hotel, seine Eltern machen sich derweil große Sorgen um die Ruhe im Frühstücksraum. Was als Beobachter harmlos wirkt, kann für Mütter und Väter zum puren Stress werden. Eine Beobachtung.

Müssen Kinder vor allem leise sein in dieser Gesellschaft? HAZ-Kolumnistin Jana Hintz meint: Nein. Foto: HAZ

Hildesheim - Wir befinden uns im Frühstücksraum eines kleinen Hotels. Insgesamt gib es zehn Tische, drei davon sind besetzt. Es läuft dezente Musik, gesprochen wird im Flüsterton. Obwohl, nicht ganz, es gibt eine Person, die mag das Flüstern jetzt gerade nicht. Sie sitzt mit ihren Eltern an einem der drei Tische und ist fünf Jahre alt. Ben heißt der kleine Junge, jedenfalls sprechen seine Eltern ihn immer wieder mit diesem Namen an, und Ben versinkt fast auf dem für ihn viel zu großen Stuhl. Die wenigen Beobachter im Raum sehen: Das Kind schwankt zwischen großer Aufregung (Hotelfrühstück!) und großer Langeweile (still sitzen!). Ben macht dieser Gefühlslage durch allerhand kleine und große, leise und laute Gesten Luft.

Tu dies, lass das

Für mich als zufällige Zeugin sehr nachvollziehbar, Ben verhält sich wie ein Kind, und das ist gut so. Fies ist bloß: Seine Eltern fühlen sich im Frühstückssaal wie auf dem Präsentierteller und möchten mit großer Angespanntheit die allgemeine Ruhe wahren. Ben soll deshalb nicht knien, seinen Kakao trinken, seinen O-Saft nicht auf die Tischkante stellen, seinen Mund abwischen, nicht krümeln, nicht den Kopf anlehnen, die Marmelade probieren, die Ananas essen, aber nicht mit der Hand, das Ei ordentlich pellen, nicht aufstehen, nicht die weiße Tischdecke beschmieren, auch ein bisschen Wasser trinken und sein Müsli aufessen. Kleine, wohl gemeinte Kommandos im Sekundentakt, allen voran: Sei leise, Ben, sonst musst du aufs Zimmer.

Das erste Mal

Leider hat Ben die Faxen nun dicke, ruft laut „Nein!!!“, vergräbt den Kopf in den Armen und entscheidet sich dafür, das Frühstück sausen zu lassen. Seine Mutter schaut entschuldigend in meine Richtung: „Das ist unser erstes Mal im Hotel“, sagt sie und wirkt, als sei sie den Tränen nahe. Ich antworte, was ich denke: „Ihr Sohn meistert das großartig. Und das Leben, das Sie hier reinbringen, ist große Klasse.“

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