Kolumne „Unter uns“

Im Hildesheimer Kino auf der Schleimspur ausgerutscht: Wie war das noch mit den unrealistischen Vorstellungen von Liebe?

Hildesheim - So kitschig war noch kein anderer Film, den HAZ-Kolumnistin Katharina Brecht jemals gesehen hat – nun fragt sie sich, wen die Macher eigentlich mit ihrer Liebesgeschichte veräppeln wollen.

In der HAZ-Kolumne „Unter uns“ schreiben sich Katharina Brecht und Julia Haller abwechselnd zu Themen, die sie bewegen. Foto: HAZ

Hildesheim - Erinnerst du dich noch an die guten, alten Schüler-VZ-Zeiten, liebe Julia? Eine Besonderheit dieses sozialen Netzwerks waren ja die Gruppen, in die man eintreten konnte. Seltener, weil man darin so toll diskutieren konnte – sondern eher, weil man die Namen so lustig fand. Eine dieser Gruppen hieß: „Disney hat mir unrealistische Vorstellungen von Liebe vermittelt“.

An diesen Satz musste ich kürzlich im Kino denken. Nachdem meine Freundin und ich es uns im Saal auf den roten Sitzen mit verdächtigen Flecken (bitte mal reinigen!) gemütlich gemacht hatten und unser Popcorn verdrückten, mussten wir nämlich feststellen: Wir sind in „All das Ungesagte zwischen uns - Regretting You“ gelandet – im kitschigsten Film, den wir je gesehen haben. „Die Schöne und das Biest“ und „Arielle“ sind quasi nix dagegen. Ich frage mich, wer beim Zuschauen nicht auf der Schleimspur der männlichen Hauptrolle ausrutscht, sondern bei seinen Worten dahinschmilzt. Eine Frage der Zielgruppe?

Das war einfach nur platt

Gut, vielleicht soll die Schnulze ja jüngere Leute ansprechen, die sich noch nicht so gut mit Liebe auskennen. Wär dann aber echt mies, den Teenies sowas vorzugaukeln. Mal im Ernst: „Ich hab mich all die Jahre nach dir gesehnt“ – so hochgestochene Worte hat wirklich noch nie ein Mann zu mir gesagt. Und ganz sicher auch nicht zu meinen Freundinnen, und ich wette auch nicht zu deren Freundinnen, Kolleginnen, Bekannten oder Verwandten. Dann setzte der Typ noch einen drauf, als er hauchte: „Ich bin verschwunden, weil ich es nicht ertragen habe, in deiner Nähe zu sein“. Was für eine toxische Ausrede fürs Ghosten.

Du kennst mich: Ich bin durchaus emotional –manchmal braucht’s gar nicht viel und schwupp, bin ich gerührt. Und andere Bücher der Autorin mag ich sogar gern. Aber das war einfach nur platt. Dabei hätte die Handlung durchaus Potenzial für große Emotionen gehabt: Ehemann und Schwester der Protagonistin sterben bei einem Autounfall, dann kommt raus, dass die zwei eine Affäre hatten. Doch was mir im Kopf blieb, waren eigentlich nur die schwülstigen Worte des Schwagers. Der offenbar schon immer scharf auf die Protagonistin war, aber ihre Schwester gedatet und nach seiner Rückkehr vom Ghosten geschwängert hat. Uff. So ein Liebesviereck, das gibt’s doch niemals! Hoffe ich zumindest.

In der Kolumne „Unter uns“ schreiben die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im Wechsel über Themen, die nicht nur Frauen um die 30 bewegen.

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