Hildesheim - Kintsugi – die japanische Kunst, etwas Zerbrochenes wieder zusammenzusetzen. Vielleicht hast du davon auch schon mal gehört, Katharina. Die Japaner, die machen es clever. Wenn ’ne Schüssel herunterfällt und zerspringt, setzen sie die Keramikstücke wieder zusammen und bedecken die Risse anschließend mit echtem Gold. Sieht am Ende fast schöner aus als vorher.
Da musste ich letztens dran denken, als ich in einem meiner Lieblingscafés saß. Die Kellnerin hatte mehrere Sternchen-Sticker im Gesicht – Pimple Patches, also kleine Aufkleber, mit denen man unschöne Pickel verdecken kann. Die Dinger sollen dafür sorgen, dass kein Schmutz auf die empfindliche Stelle kommt und die Pickel schneller heilen.
Verdecken? Oder schöner machen?
Ob’s wirklich hilft, weiß ich nicht, aber niedlich schaut es schon aus. Achte mal drauf: Immer mehr junge Leute tragen die, wenn sich mal wieder ein ungebetener Gast im eigenen Gesicht breit macht. Irgendwie spannend, finde ich: Unsere Generation hat stets versucht, Unreinheiten mit Abdeckstift zu kaschieren (und tut es, wenn wir ehrlich sind, immer noch). Da ist dann ein Berg aus Concealer und Make-Up drauf, der das eigene Gesicht stellenweise in eine Hügellandschaft verwandelt. Soll bloß keiner sehen, dass unsere Haut nicht perfekt ist!
Und die jüngeren Leute knallen sich einfach Sticker auf die Pickel, die auch von einem Kindergeburtstag stammen könnten – und machen etwas Unschönes (aber natürlich vollkommen Normales) so fast schöner. Wie die zerbrochene Kunst in Japan. Vielleicht sollten wir uns auch ein paar Gesichts-Sternchen zulegen, Katharina?
In der Kolumne „Unter uns“ schreiben die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im Wechsel über Themen, die nicht nur Frauen um die 30 bewegen.
