Hildesheim - Die Vorweihnachtszeit bringt ja so einiges mit sich, liebe Julia: Adventskalender, Plätzchen, Glühwein und jede Menge Weihnachtsmarktbesuche zum Beispiel. Aber auch: Geschenke-Stress. Achtung, First-World-Problem, aber: Die Frage „Was wünschst du dir?“ treibt mir Jahr für Jahr die Schweißperlen auf die Stirn. Denn seit ich (genug) Geld verdiene, kaufe ich mir das, was ich haben möchte, selbst. Außerdem habe ich einen Monat vorher Geburtstag: Da sind die wenigen Wünsche, die mir einfallen, meist schon verbraten, und die übrigen würden den Rahmen sprengen. Ohnehin besitze ich ja schon alles, was ich brauche, und noch viel mehr. So musste ich mir manches Mal Wünsche aus den Fingern saugen – und jetzt steht seit einigen Jahren eine Popcornmaschine auf meinem Schrank und verstaubt.
Aber in der anderen Rolle zu sein und sich Geschenke für andere Erwachsene ausdenken zu müssen, die auch alles haben und sich nichts wünschen, ist genauso schlimm. Trotzdem würde mir niemals einfallen, zu tun, was offenbar gerade viele tun. Wie ich neulich las, klagt der Handel gerade darüber, dass die Umsätze ausbleiben und das Weihnachtsgeschäft nicht laufe. Nicht etwa, weil die Deutschen plötzlich konsumkritisch geworden sind – es heißt, sie bestellen stattdessen bei China-Riesen wie Temu, Shein oder AliExpress, und zwar in Massen. Mal ehrlich, Julia: Wer freut sich bitte unterm Weihnachtsbaum über ein 1-Euro-Plastik-Schrott-Geschenk? Da ist doch jeder handgeschriebene Brief, eine Einladung ins Café, ein gemeinsamer Spaziergang oder auch einfach nur eine dicke Umarmung viel mehr wert. Und die gibt’s sogar umsonst.
In der Kolumne „Unter uns“ schreiben die HAZ-Redakteurinnen Katharina Brecht und Julia Haller im Wechsel über Themen, die nicht nur Frauen um die 30 bewegen.